14
Justin lehnte sich im Ohrensessel in Toms Arbeitszimmer zurück und schaute in den Garten hinaus, während er an einem Glas sehr guten Portweins nippte. »Hat wirklich Spaß gemacht, Tom. Wir haben Orte besucht, an denen bin ich seit zweihundert Jahren nicht mehr gewesen.«
»Du brauchst mehr Abwechslung von den ländlichen Weiten Yorkshires. Komm mit Stella und Sam nach London. Für ein Kind ist hier mehr los als in Havering«, sagte Tom, während er sich zurücklehnte und seine Zigarre auf dem Aschenbecher ablegte.
Das stimmte zweifellos. »Du hast recht.« Schweigend nahm er einen weiteren Schluck und behielt die dunkle Flüssigkeit auf der Zunge. Dieses Mundgefühl war es, nicht der Geschmack, was er genoss, und natürlich die Gesellschaft Toms, mit dem er im Lauf der Jahrhunderte schon so manches Glas geleert hatte. »Danke, dass du mich überredet hast, noch einen Tag zu bleiben. Es war doch besser, als gleich wieder nach Yorkshire zurückzufahren und mir den ganzen Tag über nur Sorgen um Stella und Sam zu machen.«
»So fährst du erst morgen zurück und fängst dann an, dir Sorgen zu machen.«
»Morgen hab ich zwei Operationen. Das sollte für genügend Ablenkung sorgen.«
»Und? Funktioniert das?«
»Verflixt noch mal, nein! Ich mach mir trotzdem Sorgen, vor allem wegen der Sache mit dem Auto und diesem verdammten Diebesgut, aber wir haben ja alles geregelt, und Stella hat jede Menge gesunden Menschenverstand. Vom Kopf her weiß ich ja, dass ihnen nichts passieren kann, nur das Herz stellt alles infrage. Höchstwahrscheinlich weil ich sie vermisse.« Er lachte trocken. »Wirklich komisch. Als ich Stella noch nicht kannte, meinte ich, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen. Jetzt frage ich mich, wie ich all die Jahrhunderte ohne sie und Sam überhaupt existieren konnte.«
»Ähnlich geht es mir mit Lizzie. Es gibt Zeiten, da treibt sie mich in den Wahnsinn, trotzdem schulde ich Vlad bis in alle Ewigkeit Dank dafür, dass er sie und Heather gerettet hat. Was, wenn er einfach vorbeigegangen wäre und sie da sitzen gelassen hätte?«
»Hat er aber nicht.«
Beide fielen in ein tiefes Schweigen und genossen die Verbundenheit unter zwei sehr alten Freunden, die nicht unbedingt auf Gespräche angewiesen waren, und es bedurfte auch keiner Gespräche mehr über die ehemals sehr gemischten Gefühle Justins gegenüber dem früheren Fürsten der Walachei.
Tom griff nach der Karaffe aus böhmischem Glas und reichte sie, nachdem er sein Glas neu gefüllt hatte, an Justin weiter.
»Ich hoffe mal, es geht ihnen gut«, sagte Justin, indem er sich nachschenkte. »Sobald ich zurück bin, muss ich Gwyltha sehen. Ich will mit ihr über diesen verflixten Autodieb reden. Sie wird es so sehen wie ich. Wie sonst?« Sollte sie dennoch anderer Meinung sein, würde es Krach geben. Stella hatte niemanden attackiert, sondern lediglich ihr Kind verteidigt. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.
»So vernarrt wie die in Sam ist, ist die imstande und vergisst unseren Kodex und ihre Antipathie gegen den Süden und kommt selbst runter, um sich den Kerl höchstpersönlich vorzuknöpfen. Du kannst beruhigt sein, Justin.«
Tom hatte recht. Zwar lebte die Kolonie nach dem Motto, einem Sterblichen niemals zu schaden, doch wer andere vorsätzlich angriff, konnte nicht damit rechnen, geschützt zu werden. »Wo er wohl hockt? Ich würde ihn mir auch gerne mal zur Brust zu nehmen.«
»Das werden wir wohl nie erfahren. Wenn er nur einen Funken Verstand hat, versteckt er sich.«
Mitten in einer ihrer geselligen Schweigephasen, in denen nur das entfernte Brummen des Verkehrs zu hören war, klingelte Justins Handy. »Entschuldige bitte, Tom. Stella ist dran«, sagte er nach einem Blick auf das Display. Er ging auf die kleine Terrasse hinaus, die zum Garten führte.
»Justin!« War sie verängstigt oder nur in Eile?
Er bildete sich ein, er hörte Toms Handy klingeln, aber ihn beschäftigte die Sorge um seine Frau. »Wie geht’s in Bringham?«
Sie erstattete ihm Bericht.
»Ich fahr sofort wieder zurück!« Das Dorf war eine Brutstätte des Bösen.
»Ich bitte dich, Justin, nein.«
»Warum denn nicht, um Himmels willen? Was soll denn noch alles passieren! Allmählich müsste es doch reichen, jeden zu überzeugen, sofort abzuhauen. Wenn Antonia auch nur einen Funken Verstand hat, stiftet sie das Haus der Wohlfahrt und sagt diesem Drecksnest ein für alle Mal adieu.«
»Hör mir zu, Justin, bitte.«
Er hörte zu. »Der schreckliche Zwischenfall von Freitag hat sich erledigt. Die Juwelen sind bei der Polizei, und unser Auto sieht niemand mehr. Ihr beide, du und Tom, habt alles perfekt geregelt. Sam hat einen Riesenschreck bekommen, ich auch, und jetzt geht’s uns wieder gut. Ich hab ihm doch versprochen, wir bleiben zwei Wochen. Und außerdem, dieser Ganove wird kaum um die Dörfer schleichen, um mir und Sam aufzulauern. Der wird von der Polizei gesucht und hält sich hübsch im Verborgenen.«
In diesem Punkt würde er ihr sicher recht geben, aber durch diese neue Entwicklung hatte sich die Lage nochmals zugespitzt. »Das allein ist es nicht. Bei euch wurde eine Tote gefunden!« Bei Abel, es war wie in einem Roman von Agatha Christie: Die Tote im Luftschutzbunker!
Er spürte ihr Zögern. Konnte er sie tatsächlich zum Einlenken bewegen? »Ich habe darüber lange nachgedacht, Justin. Mein erster Instinkt war, sofort die Koffer zu packen und ab, aber jetzt glaube ich, dass es doch besser ist, zu bleiben. Ein paar Tage zumindest.«
»Warum?« Knapp, ja, aber wenn er mehr gesagt hätte, hätte er angefangen herumzuschreien.
»Okay, Justin.« Nichts war okay, aber er schwieg. »Es ist wegen Sam. Er hat alles so unmittelbar mitbekommen, und ich glaube, er fühlt sich fast verantwortlich für den Ausgang der Geschichte.« Blanker Unsinn, aber auch dazu schwieg er. »Er hat den Detective gefragt, ob er sich mit den Leuten von der Spurensicherung unterhalten darf, und er hat sich mit dem Polizisten angefreundet, der zur Überwachung des Schauplatzes abgestellt wurde. Sam hat sich so richtig reingesteigert, und als ich ihn ins Bett brachte, hat er sogar gesagt, er würde auch gerne Detective werden, wenn er groß ist. Ich weiß, dass er seine Meinung noch hundert Mal ändern wird, bis es so weit ist, aber im Moment ist er völlig fasziniert. Es hat nichts mit morbid zu tun, nein, es geht ihm um Gerechtigkeit. Er will wissen, wer sie ist, und er will, dass der Mörder gefasst wird. Ich möchte so lange bleiben, wie wir es geplant haben, Justin, nämlich zwei Wochen.«
Sie flehte ihn förmlich an, und er konnte ihr kaum widerstehen, und wenn er doch was sagen würde, würde sie womöglich trotzdem bleiben. »Ich mach mir Sorgen um euch beide, Liebes.«
»Glaubst du, ich versteh das nicht? Wir haben einiges mitgemacht in den letzten Tagen, aber Sam geht es gut, und ich fürchte, er würde mehr darunter leiden, wenn ich ihn jetzt wegreiße, als wenn wir blieben.«
»Vergiss nicht, dass da ein Mörder in diesem verdammten Kaff frei herumläuft.«
»Für mich sind die Mörder höchstwahrscheinlich Dixies böse alte Tanten. Ich werde sie anrufen und sie bitten, in ihren Tagebüchern nachzusehen, sobald die Polizei eine ungefähre Vorstellung davon hat, seit wann die Tote dort gelegen hat.«
Bei Abel, sie kannte sich aus! Sie sollte sich bei der Polizei anstellen lassen.
Nein, kein guter Gedanke! »Fang mir bloß nicht an, Amateurdetektiv zu spielen!«
»Ich hab nicht die Absicht, selbst wenn ich Zeit dazu hätte. Elizabeth zeigt mir, wie man Webseiten erstellt.« Damit und der Versicherung, dass sie ihn liebte, beendete sie das Gespräch.
Justin sah in den Nachthimmel und auf die Gebäude gegenüber. Seit wann war sein Leben so kompliziert geworden? Seit er sich verliebt und sich eine Frau und einen Sohn angeschafft hatte. Stella hatte gewichtige Argumente, gepaart mit einem Übermaß an gesundem Menschenverstand. Aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie sich nicht irrte.
Er klappte sein Telefon zu und kam gerade noch rechtzeitig ins Arbeitszimmer, um Tom sagen zu hören: »Lass die Finger davon, Lizzie! Du hast Grips genug! Dieses Haus –«
Justin ging wieder zurück ins Freie, um zu warten, bis Tom, dem es offenbar nicht anders ging als ihm, herauskam.
»Nun?«, sagte Tom, als er durch die Terrassentür trat.
»Was heißt da ›nun‹?«
Tom schnaubte. »Nun heißt nun. Schöner Mist, oder?«
»Das trifft die Sache schon eher.«
»Verdammt noch mal, Justin. Wie kann dich das alles nur so kalt lassen? Elizabeth, die Frau, die mir gerade erst die Ehe versprochen hat, will nicht tun, was ich ihr sage!«
»Das tun sie oft nicht, Tom.«
»Aber sie müssen! Die Geschichte da unten läuft langsam aus dem Ruder! Sie sind gerade mal knapp eine Woche da und stecken schon bis zum Hals in gestohlenen Juwelen, einer Autoentführung und jetzt auch noch einem Mord!«
»Stella und Sam sind erst seit drei Tagen dort, und, fällt mir eben auf, bis zu ihrer Ankunft war alles ruhig.«
»Das hab ich nicht gemeint!«
Justin klopfte Tom auf die Schulter. »Das weiß ich, aber glaubst du wirklich, Ultimaten und Befehle bringen dich deinem Ziel auch nur ein Stückchen näher?«
»Aber was, zum Teufel, sollen wir machen? Das ist noch lange nicht alles. Da braut sich noch mehr zusammen, das schwör ich dir, und jetzt werden Elizabeth, Stella und Sam auch noch von einem frei herumlaufenden Mörder bedroht.«
»Stella meint – und damit liegt sie in meinen Augen höchstwahrscheinlich richtig –, der Mörder betrachtet sich die Radieschen längst von unten. Aber ich bin ganz deiner Meinung, beunruhigend ist das Ganze schon.«
»Wir sollen also einfach hierbleiben und tatenlos zusehen?«
»Natürlich nicht!«
Tom ging einmal bis ans Ende der Terrasse und wieder zurück. »Was dann? Zuerst heißt es ›Gib ihnen keine Anweisungen, da sie sowieso nicht darauf hören‹, und dann machst du dir Sorgen!«
»Tom, guter alter Freund, lass uns hineingehen. Wir nehmen noch ein Glas von deinem exzellenten Port, und ich erkläre dir unser weiteres Vorgehen.«
Tom hielt sich so lange zurück, bis er ihre Gläser neu gefüllt hatte, kaum jedoch hatte er die Karaffe abgestellt, begann er: »Nun?«
»Wir tun uns zusammen. Ich muss heute Abend zurück nach Yorkshire – ich kann meine Patienten nicht warten lassen –, aber ich will am Mittwoch wieder hier sein. Ich nehme den Wagen, damit ich mobil bin. Bis dahin musst du hier die Stellung halten.«
Tom sah ihn von der Seite her an. »Was schwebt dir vor?«
»Überwachungstaktik, wie man heute sagt.« Er erntete einen noch skeptischeren Blick. »Zuerst rufen wir John Littlewood an und fragen ihn, ob er uns sein Haus in Epsom überlässt.«
»Das in den Downs oben?«
»Genau. Er nutzt es nur zu den Rennen. Es ist abseits vom Schuss, aber trotzdem nicht so weit von Bringham entfernt. Wir beziehen dort Stellung und überwachen die Lage abwechselnd. Solange einer von uns unterwegs ist, und der andere nahe genug, um schnell an Ort und Stelle zu sein, haben wir die Situation einigermaßen im Griff.«
»Und was werden sie sagen, wenn sie merken, dass einer von uns ständig in ihrer Nähe ist?«
»Meinst du, eine Krähe mehr auf dem Zaun oder eine weitere Möwe auf dem Rasen fällt groß auf?«
»Keine Möwen bitte. Die kommen im Sommer nicht so weit ins Binnenland.«
»Von mir aus trittst du als Pfau in Erscheinung, aber einer von uns beiden ist rund um die Uhr vor Ort.«
»Du bist also besorgt.«
»Das ja, aber nicht in Panik.«
Tom leerte sein Glas. »Ich glaub schon, dass ich Panik schiebe. Dieses Verliebtsein zehrt an den Nerven!«
* * *
»Hier seid ihr!« Antonia kam an den niedrigen Tisch in der an den Barraum angrenzenden Nische, an dem Stella und Elizabeth saßen.
»Wo sollen wir denn sein?«, sagte Elizabeth. »Dasselbe könnten wir von dir sagen. Aber wir wissen trotzdem, wo du gewesen bist.«
»Oh, pscht!« – »Und was du gemacht hast«, sagte Stella. »Bekommt dir gut.«
»Aber du passt schon auf, dass er nicht anämisch wird?«, fügte Elizabeth mit einem leichten Grinsen hinzu.
Wozu Feinde bei solche Freunden?! »Schönen guten Abend allerseits!«
Sie nahm einen Stuhl und setzte sich. »Wo habt ihr denn Sam gelassen?«
»Oben. Er hat dort Videospiele entdeckt. Mir graut schon bei dem Gedanken daran, was das kostet, aber so können wir wenigstens ungestört miteinander reden.«
»Wunderbar. Ich muss euch nämlich etwas berichten.« Sie wiederholte, von wenigen Details abgesehen, was Michael ihr erzählt hatte.
Stella wurde nachdenklich.
Elizabeth war neugierig. »Wie konnte er das Gespräch belauschen?«
Genau diese Frage hatte sie befürchtet. Wie sollte sie darauf eine Antwort geben, ohne Michaels Geheimnis zu verraten? »Ich glaube, er hat zufällig in einem Pub was davon mitbekommen.« Eigentlich egal, welche Lüge man auftischte.
Elizabeth überzeugte sie nicht ganz. »Klingt mir nicht sehr verlässlich. Wer waren sie? Und ist er sich sicher, was er gehört hatte?«
»Für mich ist es ziemlich klar, dass die in den Raub verwickelt sind oder davon wissen«, sagte Stella. »Wenn Antonia sagt, man kann sich auf Michael verlassen, reicht mir das.«
Danke, Stella!
»Was, wenn überhaupt, wollen wir also jetzt unternehmen?«, fragte Elizabeth.
Stella runzelte die Stirn. Elizabeth griff nach ihrem Glas und nahm einen ausgiebigen Schluck.
»Ich glaube, wir sollten abwarten«, sagte Stella. »Einmal angenommen, es sind wirklich die Typen, die das alles verbrochen haben, angefangen beim Raub der Juwelen bis hin zu dem Versuch, mein Auto zu knacken, was sollen wir tun? Das Auto ist längst weg. Sollten sie die Nummer haben und damit was anfangen können, landen sie in Yorkshire. Angenommen, sie lesen Zeitung, sehen fern oder kriegen den örtlichen Tratsch mit, dann wissen sie, dass das Diebesgut nicht mehr im Auto ist. Es gibt keinen Grund, warum sie uns noch mal behelligen sollten. Ich glaube, ihre Hauptbeschäftigung besteht im Moment eher darin, sich zu verstecken. Vorsicht hat zwar noch nie geschadet, aber …« Sie hielt inne. »Ich schlage vor, wir behalten das einfach für uns. Es hat keinen Sinn, wenn sich Justin noch mehr aufregt.«
»Oder Tom!«, fügte Elizabeth hinzu.
Antonia lächelte. »Gab’s Ärger mit den Jungs?«
Stella rollte die Augen. »Nach den jüngsten Ereignissen hat nicht mehr viel gefehlt, und Justin hätte darauf bestanden, dass ich auf der Stelle nach Yorkshire zurückkomme.«
»Genau das hat Tom auch verlangt. Aber das kann er vergessen!«
»Da haben sie sich ja wieder mal richtig reingesteigert.«
Stella lachte. »Das darfst du laut sagen. Immerhin konnte ich Justin davon überzeugen, dass eine Leiche, so unheimlich das alles ist, nicht automatisch Gefahr für uns bedeutet. Mit Sicherheit hatten die Underwood-Damen ihre Finger im Spiel, aber die beiden Spinatwachteln sind ja selbst längst tot.«
»Glaubst du wirklich, dass sie es waren?«
Stella zuckte mit den Schultern. »Vieles spricht dafür. Sie haben ihre Mitmenschen erpresst und so manches Leben auf dem Gewissen, und wer sonst sollte eine Leiche auf ihrem Grundstück vergraben?«
Kam darauf an, wann sie vergraben wurde. Antonia konnte sich nicht vorstellen, wie zwei alte Weiber eine Leiche aus dem Haus schleppen, aber vielleicht hatte Stella das nicht berücksichtigt. »Bist du sicher, dass du nicht nach Havering zurückfahren willst? Für den Hausfrieden wäre es sicher besser.«
»Das stimmt, aber Sam würde unter einer überstürzten Rückkehr mehr zu leiden haben, als wenn wir blieben.«
»Dann sollten wir extravorsichtig sein«, sagte Antonia.
»Kann nie schaden«, pflichtete Stella bei. »Aber es wimmelt ja hier von Polizisten, von daher, glaube ich, sind wir sicher.«
»Weiß Michael, um wen es sich bei diesen beiden Typen handelt?«, fragte Elizabeth. Knifflige Situation. »Ich glaube, er hat eine gewisse Vorstellung.«
»Dann kann er ja zur Polizei gehen«, sagte Elizabeth.
Leichter gesagt, als getan. »Da hast du recht.« Nur würde es nie so weit kommen. Wie sollte er erklären, dass er zufällig unter ihrem Fenster gelegen hatte … in Katzengestalt.
»Hoffentlich tut er’s«, sagte Stella. »Ich würd den Typen ja zu gern ans Messer liefern, allein schon weil er Sam zu Tode erschreckt hat. Aber dann müsste ich denen auch erklären, wieso ich schneller als fünfzig Meilen pro Stunde laufen kann.« Michael hatte ähnliche Schwierigkeiten.
»Wir bleiben also hier und machen unser Ding trotz des Widerstands unserer jeweiligen besseren Hälfte?« sagte Elizabeth. »Viel können sie nicht dagegen unternehmen, außer hübsch abzuwarten und Tee zu trinken.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Justin nur dasitzt und Tee trinkt«, sagte Stella, »und Tom übrigens auch nicht. Sie wissen doch, wo wir sind, und ich wette, da thront längst eine Eule irgendwo in den Bäumen und beobachtet uns.«
»Tom verwandelt sich gern in Eulengestalt«, sagte Elizabeth. »Hat er letzten Samstag auch getan.«
»Das meine ich ja«, sagte Stella lächelnd. »Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen.«
* * *
»Erstaunlich, was für ein Chaos sie in zwei Tagen anrichten können«, sagte Elizabeth, während ihr Blick über ganze Berge aufgewühlter Erde und die zackigen Kanten verrosteten Metalls schweifte, die einmal die Wände des Bunkers gebildet hatten. Das ganze Areal war mit blau-weißem Flatterband komplett abgesperrt.
»Die Arbeiten am Neubau kann man vergessen«, sagte Antonia leicht genervt. »Ich hab Marc angerufen, den Bauunternehmer. Er sieht das Ganze mehr von der philosophischen Seite. Sie hätten angeblich noch eine andere Baustelle, und wir sollten uns einfach bei ihm melden, sobald wir grünes Licht bekommen.«
»Was Wochen dauern könnte«, sagte Stella.
Antonia stöhnte. »Ich seh es genau kommen – der September geht vorbei und wir können nicht eröffnen, weil die Polizei den Fall noch immer nicht zum Abschluss gebracht hat.«
»Es dauert bestimmt nicht so lange«, sagte Stella. »Gut, aus dem Café wird erst mal nichts, aber es ist ein Extra und von daher nicht so wichtig. Wenn du mit allem anderen weitermachst wie geplant – Künstler finden, eine Aushilfskraft suchen und die Werbekampagne starten –, könntest du rechtzeitig mit allem fertig sein.«
Brachte Stella denn gar nichts aus der Ruhe? Ihr war es recht, hatte Antonia doch schon befürchtet, die anderen Koloniemitglieder sollten recht behalten mit ihrer Vermutung, es sei der blanke Wahnsinn, ausgerechnet in Bringham Zeit und Geld zu investieren. »Ich bin froh, dass ihr beide hier seid – und natürlich Sam«, sagte sie, wobei sie ihm zulächelte, als er über die Absperrung linste. »Lasst uns reingehen und unser weiteres Vorgehen drinnen besprechen. Wenigstens der Vordereingang ist ja frei zugängig.«
»Diese Ruhe«, sagte Elizabeth, als sie sich Stühle im Büro zurechtrückten und Sam sich verdrückte, um das Haus zu erkunden. »Sehr angenehm.«
»Ihr seid mir vielleicht zwei blauäugige Optimisten!« Das war auch gut so, dachte Antonia für sich. »Was wollen wir also jetzt machen, Ladys?«
»Zu tun gibt’s genug«, sagte Stella. »Die Webseite zum Beispiel. Allein komme ich nicht zurecht, aber mit Elizabeth’ Hilfe müsse es klappen, und ich kann natürlich immer Korrektur lesen. Wir müssen auch Kontakt mit den Leuten aufnehmen, die sich auf unsere Anzeigen melden, sobald sie raus sind. Und Bürozubehör brauchen wir auch noch. Da haben wir angefangen, aber noch nichts bestellt.«
»Und den ummauerten Garten wollten wir auch renovieren«, sagte Elizabeth. »Aber auch mit dem übrigen Teil des Grundstücks sind wir noch nicht fertig. Das Gras ist gemäht und die Beete sind ein wenig gejätet, aber das war’s dann schon.«
Über so viel tatkräftige Unterstützung konnte sie sich glücklich schätzen, aber trotzdem grübelte Antonia. »Vielleicht ist das Haus doch verhext. Hier scheinen so viele merkwürdige Dinge zu geschehen.«
»Hier sind böse Dinge geschehen«, sagte Elizabeth mit ruhiger, entschlossener Stimme. »Das spüre ich, aber ich habe das Haus mit Kräutern ausgeräuchert, um es von diesem Makel zu reinigen. Es liegen aber auch Glück und sehr viel Gutes in der Luft, und ich bin zuversichtlich. Wir können die negative Energie überwinden.«
Stella bedachte Elizabeth mit einem höflich-skeptischen Blick. Antonia zog es vor zu schweigen. Sie konnte sich noch gut an die Zeiten erinnern, in denen Magie und Zauberei die Oberhand hatten. »Warum nimmst du die Restauration des Gartens nicht in Angriff, Elizabeth? Beauftrage eine Firma. Du weißt, wie viel wir zahlen: den örtlichen Durchschnitt plus ein kleines Extra für echte Spitzenkräfte.« Das freute sie ungemein. Und warum auch nicht? Es musste was getan werden an dem Garten, und vielleicht entwickelte er sich sogar zu einer zusätzlichen Attraktion. »Stella, warum sehen wir uns nicht die bereits vorliegenden Angebote durch – wir teilen sie unter uns auf und treffen eine erste Auswahl?«
Ihre dunklen Augenbrauen hätten fast ihren Pony berührt. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das will. Schließlich könnte ich Arbeiten akzeptieren, die du ganz scheußlich findest, oder aber ich könnte einen wahnsinnig brillanten Töpfer ablehnen.«
Das war eine eindeutige Stichelei. »Verstehe.«
»Wie wär’s, wenn ich mir die Bewerbungsschreiben durchsehe und mich um die Anstellung der Aushilfskräfte kümmere. Ich kann genau sagen, wer zupackt, und wer zu Zeiten, in denen viel los ist, sofort krank wird.«
Darauf hätte sie Gift genommen. Stella erkannte potentielle Langfinger oder die Sorte, die gerne blaumachte, schon aus einer Entfernung von fünfzig Schritten. »In Ordnung, du siehst die Stellenbewerbungen durch, während ich die Kunsthandwerker unter die Lupe nehme. Und du, Elizabeth, du –«
»Ich kümmere mich um den Garten. Ich gebe eine Annonce in der Zeitung auf.« Sie ließ ihre Blicke schweifen. »Und ich glaube, wir sollten besser die Thermosflasche und die Teetassen zurückbringen, die Emma hiergelassen hat. Es ist schon über eine Woche her. Wahrscheinlich haben wir einen furchtbaren Fauxpas begangen, sie so lange zu behalten.«
Guter Punkt. Es war immerhin eine nette Geste gewesen, auch wenn Marmeladetörtchen nicht das waren, wovon sie sich üblicherweise ernährten. »Ja, mach das, und sprich sie wegen der Cafeteria an, damit wir erfahren, ob sie überhaupt Interesse daran hat.«
»Eigentlich könnte doch Sam mit rüberkommen?« Elizabeth blickte zu Stella. »Emma hat erwähnt, sie hätte Kinder, die zur Schule gehen. Vielleicht ist eines in Sams Alter.«
Stella nickte. »Warum nicht? Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn er einen Spielkameraden hätte. Irgendwann hat er genug davon, Haus und Garten zu erkunden.« Sie trat in die Eingangshalle hinaus und rief vom Fuß der Treppe aus seinen Namen.
Er polterte die nackten Holzstufen herunter. »Stell dir vor, was ich in einem der Zimmer gefunden habe, Mum!«
Stella verschlug es die Sprache, Elizabeth zuckte zusammen und sogar Antonia spürte, wie ihre Schultern sich verkrampften.
»Was denn, Sam?«, fragte Stella dann doch.
»Kannst du dir gar nicht vorstellen, Mum. Es gibt eine Tür und eine Treppe zu einem riesengroßen Speicher mit einem weiten Ausblick über den Garten und den Dorfanger bis hin zu ganz weit entfernten Häusern.«
Elizabeth seufzte auf, und Stella entspannte sich sichtlich. Seit Montag reagierten sie alle ein bisschen übernervös, wenn von neuen Entdeckungen die Rede war.
Sam kam ganz herunter. »Hast du was dagegen, Mum, wenn ich später noch mal kurz raufgehe?«
»Natürlich nicht, wenn Antonia nichts dagegen hat, und so lange du nichts anstellst. Aber jetzt braucht Elizabeth deine Hilfe.«
Stella sah ihnen von der Tür aus hinterher, als sie loszogen. Sam trug die Thermosflasche, Elizabeth das Tablett mit den Tassen und Tellern.
»Machst du dir Sorgen um ihn?«, fragte Antonia.
»Du meinst wegen der Leiche? Ganz zu schweigen von dem, was am Freitag passiert ist. Ja, natürlich mach ich mir Sorgen. Für eine Mutter ist das normal, aber ich rede mir einfach ein, er wird es verkraften. Wenn es ihn ängstigt, kann er sich an mich oder an Justin wenden. Aber bis jetzt hat sich ja alles gut entwickelt, abgesehen von dieser armen Toten. Die kann einem wirklich leidtun.«
»Mir geht sie auch nicht aus dem Kopf. Sie muss irgendwo Angehörige haben, die nichts von ihrem Schicksal wissen.«
Stella nickte. »Wenn alles gut geht, könnte sich das jetzt ändern. Was, wenn sie einen Mann gehabt hat? Oder gar Kinder? Einfach traurig.« Sie zuckte die Achseln. »Aber Grübeln bringt uns nicht weiter und nützt niemandem. Machen wir uns über die Bewerbungen her!«
Sie griff nach dem Stapel auf dem Schreibtisch.
Keine Viertelstunde später kam Sam zur Tür hereingelaufen. »Mum! Darf ich zu Peter spielen gehen? Er ist neun, und seine Mum hat mich eingeladen. Darf ich?«
Ihm folgten Emma und ein Junge mit blonden Haaren. »Sie sind die Mutter von Sam? Ich bin Emma Gordon. Wäre es in Ordnung, wenn Sam eine Weile zum Spielen bei uns bleibt? Uns wäre es sehr recht – Peters bester Freund ist nach dem letzten Schuljahr weggezogen, und es gibt sonst hier in der Nähe keinen gleichaltrigen Jungen.«
Nachdem das geklärt war, zog Sam mit seinem neuen Freund von dannen. Stella sortierte die Bewerber nach den Kategorien »Nein«, »Vielleicht« und »Von mir aus gerne«, während Antonia zum Telefon griff, um Termine auszumachen.
Elizabeth schwankte noch zwischen Webseite und Garten hin und her, als es an der Haustür klopfte.
Es war der junge Mann, der sich neulich im Garten aufgehalten hatte.
»Tut mir leid, wenn ich störe, aber Sie haben mich gebeten, zu fragen, ehe ich den Garten wieder betrete. Dürfte ich vielleicht?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Elizabeth. »Ich komme gleich mit. War sowieso gerade unterwegs dorthin.«
Sie beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus, während sie über den Rasen gingen. Ein merkwürdiger Bursche. Höchstens Mitte zwanzig. Verkrampft. Die Haare ein wenig durcheinander. Gut gekleidet, sogar teuer, aber seine Hose war schon ewig nicht mehr aufgebügelt worden und an seinem Hemd fehlte ein Knopf. War er vielleicht arbeitslos und hatte keinen Penny in der Tasche?
Im Zaubergarten blieb er vor dem Kamillenrasen stehen und sah sich um. »Es ist so friedlich hier.«
»Und es erinnert Sie an Ihre Mutter?«
Er nickte. »Genau.«
Sie sah ihn an, und in ihrem Kopf machte es Klick. Ein gesunder junger Mann, der mitten am Tag nichts mit seiner Zeit anzufangen wusste. »Müssen Sie nicht arbeiten?«
Er sah sie seltsam von der Seite her an. »Ich bin arbeitslos.«
»Hätten Sie gerne einen Job?« Das war ziemlich persönlich, aber …
Sein Blick wurde vorsichtig. »Warum fragen Sie?«
Männlicher Stolz? Testosteronbedingte Empfindlichkeit? »Sie scheinen den Garten zu mögen, und Sie wissen noch, wie er früher einmal ausgesehen hat. Und ich suche einen Gärtner.«
Eine gute Minute lang starrte er sie nur an. »Sie würden mich einstellen?«
»Wenn Sie Interesse haben, und vorausgesetzt, Sie können Rosen von Traubenkraut unterscheiden.«
Wieder schwieg er länger. »Ich versteh mich nicht allzu gut aufs Gärtnern, würde aber gerne hier arbeiten, und ich könnte Bert Andrews anrufen.«
»Welchen Bert Andrews?«
»Der Gärtner, der früher für die Underwood-Damen gearbeitet hat. Ist mittlerweile sicher über neunzig und lebt mit seiner Enkeltochter hier im Dorf.«
Ihr Angebot an ihn musste eine Eingebung der Göttin gewesen sein. Ein Gärtner mit einem besonderen Bezug zum Garten, und der obendrein noch seinen Vorgänger kannte. »Also gut, abgemacht.« Sie nannte ihm noch den Stundenlohn, und dass er bei der staatlichen Sozialversicherung gemeldet sein würde. Sonst würde er wegen finanzieller Bedenken noch einen Rückzieher machen.
»Wann soll ich anfangen?«
Es ging doch nichts über engagierte Mitarbeiter.
»Ginge morgen? Sie müssten noch ein Bewerbungsblatt ausfüllen. Geht aber ganz schnell. Und nehmen Sie immer den Weg um die hintere Seite des Hauses, da die Polizei vorne alles abgesperrt hat.«
»Ich weiß« – er runzelte die Stirn – »diese Leiche, die sie gefunden haben.«
»Beschäftigt Sie das?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht übermäßig. Bei dem, was in diesem Haus alles abging, ist es nicht allzu erstaunlich. Diese beiden Alten waren ziemlich schlimm.« Briten hatten wirklich einen Hang zur Untertreibung. »Es gibt noch den anderen, rückwärtigen Zugang in den Garten. Ich könnte ja den nehmen.«
Den gab es in der Tat. »Ich weiß. Die Tür ist ein wenig wackelig. Da müsste vielleicht mal was getan werden.«
»Ich könnte versuchen, ob ich sie reparieren kann. Haben Sie Werkzeug hier?«
»Es gibt einen Werkzeugschuppen. Sehen Sie nach, was Sie da finden. Wenn etwas fehlt, können wir es kaufen.«
»Dürfte ich vielleicht fragen, warum Sie den Garten wieder anlegen wollen?«
»Weil ich eine Hexe bin.« Seine Augen wurden größer und größer. Warum nicht gleich mit der Wahrheit herausrücken? »Ich übe mich seit einigen Jahren in dieser Kunst, aber anders als die Underwood-Damen.« Er sah sie durchdringend an. »Ich richte mich nach der Maxime ›Füge nie jemandem Schaden zu‹.« Hierauf hob er die Augenbrauen. »Einen Zauber- und Kräutergarten wie diesen hier hab ich noch nie gesehen und ich möchte ihn erhalten.«
Er nickte. Sie hätte nie gedacht, welche Emotionen sie damit bei ihm wecken würde. Hexen, jedenfalls die von der Sorte der Underwoods, bereiteten ihm ein gewisses Unbehagen. Was sicher nicht ganz unbegründet war. Womöglich war auch dieser junge Mann von den schmutzigen Machenschaften der alten Damen betroffen gewesen. »Alles klar dann so weit. Morgen geht’s los, aber Sie kommen besser noch mit rein und stellen sich bei der Chefin vor.«
»Sie sind gar nicht zuständig?«
»Nur für den Garten. Die Besitzerin und Leiterin des Unternehmens ist Antonia.«
Er folgte ihr durch den Vordereingang ins Haus. »Alles mal herhören! Ich habe einen Gärtner!«
»Das ging aber schnell«, sagte Antonia, blickte auf und lächelte.
»Und er kennt obendrein auch noch den ehemaligen Gärtner.«
»Es ist Ihr Projekt. Machen Sie was draus. Und wenn Sie schon mal hier sind, können Sie auch den Personalbogen und die Formulare für die staatliche Sozialversicherung ausfüllen.« Als sie ihm das Formblatt reichte, sah sie zu ihm auf. »Sie!«
James erstarrte, hielt die Hand ausgestreckt in der Luft, ohne aber nach dem Papier zu greifen. »Oh!«
»Sie sind unser neuer Gärtner?«, fragte Antonia ziemlich schroff.
»Man hat mir den Job angeboten, und ich habe Ja gesagt«, erwiderte er.
»Hast du es dir gut überlegt, ausgerechnet James Chadwick anzuheuern?«, fragte Antonia Elizabeth.
Liebe Göttin! Elizabeth war fassungslos. Wie konnte es passieren, dass sie nicht nach seinem Namen gefragt hatte? »Chadwick! Sie sind Sebastians Neffe?« Elizabeth schlug sich vor den Kopf.
Er setzte aufrecht hin. »Ja, der bin ich. Soll Ihr Angebot jetzt nicht mehr gelten?« Er klang aufgebracht, wie in der Defensive. Verständlich.
»Möglicherweise«, sagte Antonia. »Aus welchem Grund wollen Sie die Stelle haben?«
Wäre interessant zu hören. Er überlegte eine Minute. »Erstens, weil man sie mir angeboten hat. Zweitens, weil ich in dem Garten gerne arbeiten würde. Und drittens schließlich, weil ich noch nie einen Job gehabt habe und ich glaube, es wäre langsam an der Zeit.«
Stella sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. »Sie hatten noch nie einen Job?«, fragte sie. »Niemals?« Anscheinend unbegreiflich für sie, hatte sie doch mit reichen Müßiggängern kaum Erfahrung.
Er war taktvoll genug, seinen Blick von Stellas erstauntem Gesicht zu wenden. »Noch nie. Gleich nach der Schule habe ich angefangen, für meinen Onkel zu arbeiten. Sie haben vielleicht gehört, was mit ihm passiert ist.« Alle drei nickten. »Ich kümmere mich um seine Angelegenheiten und sein Haus, aber um ehrlich zu sein, die Vorstellung, mein eigenes Geld zu verdienen, gefällt mir. Und Miss Connor habe ich schon erklärt, dass Erinnerungen an meine Mutter mich mit diesem Garten verbinden. Ich würde ihn gerne um ihretwillen restaurieren.«
»Ist sie schon tot?«, fragte Stella.
»Das hat man mir gesagt.«
Merkwürdig, aber Fragen nach einer toten Mutter schienen so gar nicht hierherzupassen. Antonia schüttelte den Kopf. Sie war selten verblüfft, aber … »Mr Chadwick, Dixie LePage ist eine gute Freundin von uns.« Ihm sank sichtlich der Mut. »Um also ehrlich zu sein, Sie haben hier nicht die besten Karten. Wenn Elizabeth will, dass Sie den Garten übernehmen, dann ist das in Ordnung. Machen Sie Ihre Arbeit und geben Sie mir keinen Grund, Sie zu feuern, denn genau das werde ich beim geringsten Anlass tun.«
Er schluckte. Zweimal. »In Ordnung.«
Dann verabschiedete er sich mit dem Versprechen, am nächsten Tag um Punkt neun Uhr auf der Matte zu stehen.
Antonia schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, Elizabeth, du hast echt ein Gespür für die richtigen Leute!«
»Wahrscheinlich hätte ich ihn nach seinem Namen fragen sollen, aber …«
»Du kannst es nicht mehr ändern. Achte darauf, dass er seinen Job macht und sich benimmt. Sollte er dir Avancen machen, rate ich dir, bloß Tom nichts davon wissen zu lassen. Der macht sofort Hackfleisch aus dem jungen Mann.«
»Dixie hat uns vor ihm gewarnt, richtig?«, fragte Stella. »Wir sollten uns vor ihm in Acht nehmen.«
»Ja, das hat sie gesagt«, erwiderte Elizabeth, »aber bis jetzt hat er noch nicht versucht, mir an die Wäsche zu gehen. So ein Casanova ist der gar nicht, eher ein armes Würstchen, und wenn er mich nicht ganz hinters Licht geführt hat, dann bedeutet ihm der Garten wirklich sehr viel.«
»Erinnert ihn halt an die Zeit, als sie versucht haben, Kit zu rösten!«, sagte Antonia schnippisch.
»Vielleicht …« Was für ein Gedanke! »Vielleicht frag ich ihn einfach.«
»Elizabeth!«, sagte Stella.
»Die beste Art, es herauszufinden, und sollte er wirklich die Finger mit ihm Spiel gehabt haben, verdient er es, am Spieß gebraten zu werden. Wenn nicht, dann schadet es nicht, auch das zu wissen. Jesus, der Typ bringt doch so gut wie nichts auf die Reihe.«
»Vielleicht hat er dir was vorgegaukelt«, sagte Stella.
Sie hoffte, nicht.
»Und wenn doch, dann glaube ich, werden wir allemal mit ihm fertig«, sagte Antonia. »Um Sebastian hat sich Dixie im Alleingang gekümmert, und wir sind immerhin zu dritt.«